Im Juni 2005 lief bei NBC und CNN eine faszinierende Geschichte über
eine Orang-Utan Dame namens Gypsy, die neunundvierzig (nach menschlichen
Jahren über achtzig) Jahre alt ist und im Tama Zoo am Stadtrand von
Tokio lebt. Von dem Bericht tief berührt, machte sich eine Gruppe von
Eingeweihten vom Center Tokio auf den Weg zu Gypsy und zeichnete auf,
was sie bei ihrem Besuch entdeckte.
Gypsy ist einer von fünf Orang-Utans des Zoos, von denen jeder
eine ausgeprägte Persönlichkeit ist, was Einblicke gewährt
in die göttliche Natur dieser liebenswerten, zartbesaiteten Freunde
aus dem Urwald, die - anders als Gorillas und Schimpansen - niemals
jagen und töten, wenn sie in Gruppen auftreten.
Als Hidetoshi Kurotori, der Obertierpfleger für Primaten, im vergangenen
Jahr künstliche Gegenstände wie im Haushalt benutzte Reinigungsgeräte
und Musikinstrumente in die Umgebung der Affen einführte, um die
Aktivitäten der Orang-Utans zu fördern und sie zu bereichern,
zeigte Gypsy einige überraschende Verhaltensweisen. Von allen Orang-Utans
des Zoos ist Gypsy die neugierigste und gelehrigste Schülerin,
die zahlreiche Fertigkeiten demonstrierte wie die, ihren Käfig
mit Besen und Lappen zu reinigen, zu graben, Schmutz mit einer Handschippe
in einen Eimer zu füllen und Mundharmonika zu spielen.
 |
Gypsy fleißig bei der Gartenarbeit.
|
Gypsy erledigt diese Aufgaben geschickter als ihre Artgenossen. Und
obwohl zwei ihrer äffischen Freunde in einfacher Form Mundharmonika
spielen können, versteht es nur Gypsy, zu blasen und dabei das
Instrument im Mund seitlich zu verschieben, um unterschiedliche Töne
hervorzubringen.
|
Gypsy‘s Kollektion von
Fotos schöner Models |
|
Unter der brennenden Sonne trägt Gypsy ein Hemd als Hut
auf dem Kopf.
|
Ein weiterer von Gypsys bemerkenswerten Charakterzügen ist ihr
Sinn für Mode. Sie liebt es, sich Schönheitsmagazine anzuschauen,
wobei sie sich vor allem auf attraktive Models im neuesten Design konzentriert.
Geschickt reißt sie ihre Lieblingsfotos heraus und verstaut sie
in ihrem Kopfkissenbezug, wo sie all ihre Habseligkeiten aufbewahrt.
Die Fingerfertigkeit, mit der sie Artikel aus Zeitschriften herausreißt,
ist ein unglaubliches Meisterstück angesichts der Tatsache, dass
Orang-Utans eine Greifkraft von über 300 kg besitzen und diese
beachtliche Kraft beherrschen müssen, um solch komplizierte "Handarbeit"
zu bewältigen. In freier Wildbahn reißen Orang-Utans auf
ähnliche Weise lange Grashalme ab und benutzen sie als Werkzeug,
das sie bei der Nahrungssuche in Termitenhügel stecken. Um seinen
Orang-Utans die Möglichkeit zu geben dies zu praktizieren, baute
der Zoo künstliche Termitenhügel und füllt sie regelmäßig
mit Saft, den die Orang-Utans von Grashalmen ablecken, die sie vorher
in die winzigen Löcher des Hügels gesteckt haben.
Als nächstes betraten die Eingeweihten ein Gebäude mit einer
Glasveranda, das ein großer männlicher Orang-Utan namens
Q bewohnt. Die männlichen Tiere dieser Spezies sind deutlich größer
als ihre weiblichen Partner und meiden diese außerhalb der Paarungszeit.
Q war zwei Jahre alt, als er 1971 in den Zoo kam, und war in seiner
Anfangszeit weniger freundlich als die übrigen Orang-Utans, wurde
in den letzten Jahren jedoch ruhiger und sanfter. Als wir uns der Glaswand
näherten, die ihn vom Außenkäfig trennt, kam er sogleich
ans Glas und setzte sich in Halblotus-Position mit im Schoß gefalteten
Händen. So saßen wir still beisammen und begannen miteinander
zu kommunizieren. Dann hielt ein Bruder dem Affen ein Foto der Meisterin
dicht ans Glas, und dieser schien hingerissen. Er küsste das Glas
mehrmals und schaute unentwegt auf das Foto. Dieselbe Reaktion zeigte
er, als eine Schwester ihm ein anderes von Masters neuen Bildern hinhielt.
Wieder konzentrierte sich Q auf das Foto und blieb lange Zeit sehr still.
 |
Der männliche Orang-Utan Q betrachtet unentwegt Masters
Foto.
|
Dann hielt der Bruder seine Hand an das Glas, und der sanfte Riese
hielt auf der anderen Seite seine Hand an dieselbe Stelle, und so blieben
die beiden einige Minuten lang in Kontakt. Die ganze Zeit schien Q friedlich
mit offenen Augen zu meditieren, bis etliche Besucher lärmend die
Veranda betraten und seine Ruhe störten. Darauf erhob sich der
Orang-Utan, ging auf die andere Seite seines Käfigs und schlug
so gewaltig gegen die Gitter, dass es im ganzen Komplex widerhallte
und wir Ehrfurcht vor seiner Kraft empfanden.
Qs Verhalten wechselte mit dem An- und Abflauen der Besucher und ihrem
jeweiligen Benehmen. Zeitweise genoss er den Frieden und, wenn die Atmosphäre
unangenehm laut wurde, fühlte er sich gestört. Als neue Besucher
kamen, wurde er erregt, wenn sie an das Glas klopften oder ihn provozierten,
und schien sich nach einem ruhigen Ort zu sehnen, um weiter zu meditieren.
Mit seiner langen roten Mähne und seinem heiteren Wesen ähnelte
diese Kreatur einem indischen Sadhu.
Was Gypsy betrifft ist es interessant anzumerken, dass sich ihre erstaunlichen
Fortschritte im Blick auf physische Fertigkeiten erst im vergangenen
Jahr zeigten. Vielleicht sind diese sanften Vegetarier tatsächlich
erhoben worden, weil wir in das Goldene Zeitalter eingetreten sind!