Im
Januar 2005 hatte ich die große Ehre, Mitglied des koreanischen Teams zu
sein, das nach Sri Lanka ging, um den Opfern der südasiatischen Tsunami-Katastrophe
zu helfen. Nach der Landung in der Hauptstadt Colombo fuhren wir in die
schwer betroffene Ortschaft Matara und wurden Zeugen der folgenden
eindrücklichen Szenen, welche die zerstörerischen Auswirkungen der
Katastrophe offenbarten:
Eine schmächtige, dunkelhäutige alte Frau,
inmitten eingestürzter Häuser sitzend,
mit dem Ausdruck von Geschocktsein im Gesicht... Ein dürrer alter
Mann versucht mit bloßen Händen, einen schweren Stein vor einem Haus zu
räumen... Eine Mutter, ausgebrannt, mit einem Stück
verschrumpeltem Papier in ihrer Hand, ihr verlorenes Baby suchend...
Kinder, die ihre Mütter verloren, mit ihren von Tränen
verschmierten, ungewaschenen Gesichtern...
Menschen mit ausdruckslosen Mienen, nicht wissend, was zu tun, ohne
Willen oder Ziel...
Neben der Arbeit mit den Dörflern sah ich mich in der Gegend um und
stellte fest, dass in Matara viele streunende Hunde zwischen den
eingestürzten Häusern Obdach gefunden hatten und niemand sie fütterte,
so beschloss ich, das zu tun.
Als sie sahen, dass ich mein eigenes Essen mit meinen Mitgeschöpfen
teilte, wurden die Dörfler neugierig, lächelten vielsagend und
flüsterten miteinander. Nach einigen Tagen nannten mich einige von ihnen
„die Hundefreundin“, sagten mir, wo ich noch mehr Hunde finden könne,
und verfolgten mich mit besorgten Blicken, wenn ich im Dunkeln ausging.
Allmählich begannen die Dörfler selbst, die umherstreifenden Tiere zu
füttern, so als würden sie erkennen, dass auch Tiere Wesen sind, für die
man sorgen muss.
Eines Tages traf ich einen Mischling, eine Hündin, die anders war als
die anderen Hunde in der Gegend, weil sie sich stark nach menschlicher
Zuwendung sehnte. Da sie mich an einen typisch koreanischen
Promenadenmix erinnerte, nannte ich sie ‚Bong-Soon‘ (nach einer Figur in
einer koreanischen Fernseh-Komödie), wegen des guten Gefühls, das mir
der Name vermittelte. Sie folgte mir ständig, wenn ich durch das Dorf
ging, vielleicht weil ich zu ihr sprach und sie streichelte.
Bong-Soon war trächtig, und mit ihrem fülligen Leib ließ sie sich
gewöhnlich nieder und ließ sich von mir streicheln. Es sah so aus, als
würde sie bald werfen, und ich fragte mich, wie ihre Welpen überleben
sollten.
Im Lauf der Tage stellten sich bei Bong-Soon infolge ihres wachsenden
Umfangs Atembeschwerden ein. Trotzdem kam sie regelmäßig zum Standort
des Arbeitsteams, um mit erbarmungswürdiger Stimme nach mir zu rufen.
Ich kann mich nicht genau erinnern, wann Bong-Soon begann, jeden Tag auf
mich zu warten, aber wenn ich nach dem Einsatz nach Hause kam, lief sie
mir freudig entgegen. Manchmal wartete sie auch schon frühmorgens darauf,
dass ich herauskam, und irgendwann begann sie, vor der Unterkunft zu
schlafen.
Nachdem ich zehn Tage in Sri Lanka gearbeitet hatte, nahte die Zeit
meiner Rückkehr nach Korea, und Bong-Soons Bauch wurde immer dicker.
Dann platzte eines Tages ihre Fruchtblase, aber ihre Welpen weigerten
sich, herauszukommen, und sie bewegte sich nicht und atmete kaum. So
nahm ich Bong-Soon in die Arme und suchte nach einem Hospital. Endlich
fand ich eines, das sie aufnahm, und es war eine große Erleichterung für
mich zu hören: „Sie wird wieder okay.“
Bei einer anderen Gelegenheit wartete Bong-Soon darauf, dass ich nach
dem Arbeitseinsatz nach Hause kam. Als ich dann kam, schrie sie laut,
als ich versuchte, ins Haus zu gehen. Wie oft ich auch sagte: „Komm her,
Bong-Soon“, sie weigerte sich, zu gehorchen und jaulte nur. So ging ich
zu ihr mit der Frage: “Ist etwas nicht in Ordnung?“ Darauf führte sie
mich zu einem schäbigen Loch, von eingestürzten Gebäuden zugedeckt. Der
Ort war sehr gefährlich, weil niemand wusste, wann die Trümmer
zusammenbrechen bzw. Kräne alles einreißen würden, weil die Räumarbeiten
begannen. Dann suchte ich die Arbeiter auf, die dort tätig waren, und
bat sie eindringlich, diese Gebäude nicht einzureißen, weil eins davon
Bong-Soons Wohnung war, und war sehr erleichtert, als sie mir sagten: „Wir
werden das niemals tun. Seien Sie unbesorgt.“
An Bong-Soons Zähnen konnte ich erkennen, dass sie sehr jung war,
vielleicht ein Jahr alt, und dies vermutlich ihre erste Schwangerschaft
war. In jener Nacht träumte ich, dass Bong-Soon geworfen hatte und ihre
winzigen Welpen sich in einem tiefen, sicheren Loch befanden, das sie
gegraben hatte.
In Korea leite ich eine Gruppe für Tierrechte, und dringende Arbeit
für die Tiere zu Hause türmte sich, so musste ich heimkehren und
Bong-Soon zurücklassen. Ich betete zu Gott, sie noch eine Weile leben zu
lassen.
Einige Tage später kehrten weitere Teammitglieder nach Korea zurück
und informierten mich, dass Bong-Soon fünf Welpen geboren hatte. Sie
hatte in der Nähe des Hauses, in dem wir wohnten, ein Loch gebuddelt als
Höhle für ihre Babys, und so meinen prophetischen Traum erfüllt!
Neues Leben kam hervor, wo viele Leben schwanden. Tod und Geburt,
Zusammenbruch und Restaurierung, Verzweiflung und Hoffnung, die aufs
neue keimt – das ist das Gesetz der Welt, in der wir leben. Ich kann
Gott nur bitten, für Bong-Soon und ihre Welpchen zu sorgen und ihr
Leiden zu lindern. Ich könnte ja eines Tages nach Sri Lanka zurückkehren,
um meine Bong-Soon zu sehen! 
Zur
Autorin:
Schwester Park So-Youn
ist Direktorin von CARE,
der größten Tierschutz-
Organisation in Korea