Die Meisterin erzählt Geschichten

Oft trügt der Schein

Von der Höchsten Meisterin Ching Hai
Kambodscha, 12. Mai 1996
(Original in Englisch) Video 544

Es war einmal ein Mensch, der war sehr reich und sehr alkoholabhängig. Eines Tages musste er ausgehen und machte sich Sorgen, dass sein Hausdiener während seiner Abwesenheit versuchen könnte, etwas von seinen Vorräten zu essen und von seinem guten Wein zu trinken. Natürlich war er schon sehr umsichtig gewesen: Er hatte einen sehr dumm aussehenden Diener ausgewählt, einen, der nicht zu gewitzt war und nicht wissen würde, wie man Essen stiehlt oder Ausreden erfindet. Trotz allem war der Mann misstrauisch und besorgt wegen des Dieners.

Darum sagte er zu ihm: „Du bleibst daheim und kümmerst dich um mein Haus. Da hängt ein Stück Schweinefleisch in der Küche. Gib Acht darauf auf, aber rühr es nicht an! Neben der Küche ist ein lebendes Hühnchen. Das rührst du auch nicht an. Und gib Acht, dass nicht sämtliche Hunde und Katzen kommen und es auffressen.“ Und dann sagte er: “Dort drüben ist ein Topf, der sehr sorgfältig zugedeckt ist. Das ist Gift für die Mäuse, also rühre es nicht an.“

Als er gegangen war, nahm der Diener das Stück Fleisch herunter, briet es und aß es. Als nächstes griff er sich das Hühnchen, schlachtete es und aß es ebenfalls auf. Dazu trank er den Alkohol, um das Essen zu begießen. So fühlte er sich ausgesprochen wohl und war schließlich betrunken, legte sich hin und schlief friedlich.

Als der Boss nach Hause kam, fand er den Diener schlafend auf seinem Sofa, roch Alkohol und sah Hühnerknochen herumliegen, die der schlafende Diener achtlos weggeworfen hatte. Da weckte er den Burschen und sagte: „He! Wo ist mein Hühnchen und wo sind meine Schweinerippchen? Und was ist mit meinem Wein – ich meine, was ist mit dem Rattengift dort drüben?“ 

Da begann der Diener zu heulen, fiel heulend auf die Knie und sagte: „Bitte, vergib mir! Wirklich, ich bin ganz gehorsam gewesen. Ich habe versucht, mich um dein Haus und alles zu kümmern, aber unglücklicherweise kam eine Katze daher und kletterte auf das Küchendach, nahm das Fleisch und fraß es auf. Als der Hund sah, was die Katze tat, griff er sich das Hühnchen und verschwand damit, um es aufzufressen. Ich hatte solche Angst, dass du nach Hause kommst und mich bestrafst oder tötest, dass ich das Gift nahm! Aber wie kommt es, dass ich noch nicht gestorben bin?“ (Die Meisterin und alle lachen.)

Der Diener wollte sich selbst umbringen, aber er starb nicht. Ihr solltet also vorsichtig sein im Blick auf andere Menschen. Selbst wenn manche Leute ein wenig dumm aussehen, heißt das noch nicht, dass sie dumm sind. Und jemand, der gut aussieht, ist nicht notwendigerweise gut. Darum achtet darauf, wie er oder sie handelt und seht auf das Ergebnis seines Tuns bzw. ihrer Bemühungen. Dann erkennt ihr das Innere jenes Menschen. Seht niemals nur auf das Äußere, sondern versucht euch ein Urteil darüber zu bilden, ob jene Person okay ist.

So ähnlich ergeht es uns, wenn wir einen Lehrer suchen. Die meisten von uns lieben angenehme Dinge, daher lieben wir die angenehmen Worte der Menschen: Eine sanfte Stimme, gute Manieren, große Herzlichkeit – das gefällt unserem Ego, unseren Augen und Gewohnheiten. So fällt es uns nicht schwer, einen Lehrer oder Meister mit einem angenehmen Wesen zu suchen, einen, der immer sanft und freundlich redet, usw.

Aber das ist nur eine Seite der Persönlichkeit, vielleicht einer ausgebildeten Stewardess vergleichbar. Es ist nicht notwendigerweise wahr, dass solch ein Mensch uns etwas Gutes tut oder eine wahre Lehre in sich trägt. Denn viele Menschen sprechen sanft, tun aber Dinge, die sehr zerstörerisch für sie selbst und die Gesellschaft sind, mit immer schlechtem oder negativem Ausgang. In jenem Fall mag die Person gut aussehen und sanft reden, tut sich selbst oder der Gesellschaft im Ganzen jedoch nichts Gutes. 

Es ist also das Ergebnis unseres Lebens, unserer Arbeit oder unserer Bemühungen, das Bände spricht. Es kommt nicht darauf an, wie wir aussehen, wie wir reagieren oder wie wir unser Leben führen. Ihr habt gehört, dass in alten Zeiten Jesus sogar einen Stock oder etwas Ähnliches benutzte, um die Geldwechsler aus dem Tempel zu jagen, und dann warf Er ihre Tische um. Es mag für einen Meister sehr grob ausgesehen haben, das zu tun, aber Er tat unwahrscheinlich viel Gutes für die Menschheit. Er opferte damals sogar Sein Leben für die Schüler, und Seine Lehren haben noch immer einen sehr guten Einfluss auf die gesamte menschliche Rasse. 

Viele sanft redende Hausfrauen oder sogar Beamte haben jedoch niemals etwas derartig Großes getan, ja vielleicht sogar sich selbst, ihrer Familie und der Gesellschaft Schaden zugefügt, weil sie es nicht besser wussten. Vielleicht wurden sie mit Stimmbandschäden geboren, so dass sie sehr leise sprechen oder gar nicht sehr laut sprechen können. Womöglich ist der Person auch etwas im Hals stecken geblieben; man kann nie wissen. Darum müssen wir vorsichtig sein in dem, was wir wünschen, und wie wir Menschen beurteilen. Urteilt nicht nach der äußeren Erscheinung, denn sie ist immer trügerisch.


Inhalt