Empfindsame Welt der Tiere

Die inspirierende Geschichte
von Mari und ihren Welpen

Von der japanischen Nachrichtengruppe (Original in Japanisch)

Drei Welpen, am Tag des Erdbebens geboren

Am Morgen des schicksalhaften 23. Oktober 2004 brachte im Dorf Yamakoshi, Präfektur Niigata, Japan, eine Hündin namens Mari drei Junge zur Welt. An jenem Abend traf ein schweres Erdbeben Niigata und verwüstete das Dorf, in dem fast alle Häuser einstürzten, auch das, in dem Mari lebte. Während des Bebens wurden die neugeborenen Welpen von ihrer Mutter weggestoßen, und da ihre Augen noch geschlossen waren, konnten sie den Weg zu ihr zurück nicht finden. Auch Mari konnte ihre Babys nicht erreichen, weil sie angeleint war. Sie versuchte wiederholt, sich von der Leine zu befreien, jedoch vergeblich. Dann ereigneten sich einige Erdstöße und Mari versuchte noch heftiger freizukommen, bis ihr Hals blutig wurde. Plötzlich kam ein weiterer starker Erdstoß, Mari kämpfte mit aller Kraft, und plötzlich löste sich das Halsband. Rasch nahm sie ihre Welpen auf und schaffte sie an einen sicheren Ort, und ohne zu ruhen rannte sie zu den Ruinen, die einmal ihr Haus waren.

Mutige Rettung des Großvaters

Der Großvater von Maris Familie war an jenem Tag allein zu Haus. Er wohnte im zweiten Stock, hatte aber ein Nervenleiden, das es ihm unmöglich machte, auf seinen Füßen zu stehen oder ohne Hilfe Treppen zu steigen. Nach dem Erdbeben war der alte Mann bewegungsunfähig, da er unter einem Kleiderschrank gefangen war. Nachbeben und totale Finsternis infolge Stromausfall ließen in ihm den verzweifelten Gedanken aufkommen, sein letztes Stündlein könnte geschlagen haben. Da erschien Mari in seinem Zimmer im zweiten Stock und schaute ihn mit aufmunternden Augen an. Der Großvater war bewusstlos geworden, als er jedoch Mari sah, kam er wieder zu sich, obwohl er noch bewegungsunfähig war. Mari leckte ihn zur Aufmunterung und ging mehrmals nach unten, um nach ihren Welpen zu sehen, bevor sie rasch in das Zimmer des Mannes zurückkehrte. Viele Male lief sie hin und her, obwohl sie sich an den scharfen Glas- und Porzellanscherben, die den Boden bedeckten, die Pfoten verletzte. Bei jedem Gang fügte sie sich neue Wunden zu, aber es gelang Mari, in Großvaters Herz neue Hoffnung zu entzünden, und als er auf Mari sah, dachte er: "Ich muß weiterleben, ich kann nicht aufgeben." Schließlich drückte er mit aller Kraft gegen den Kleiderschrank, der gab nach, und es gelang ihm, sich zu befreien. Dann, durch Mari ermutigt, brachte Großvater zwei Stunden damit zu, die Treppe hinabzusteigen - ein Kraftakt, zu dem er vorher ohne fremde Hilfe nicht fähig gewesen wäre. Als er im Erdgeschoß ankam, stellte er erleichtert fest, dass die Welpen gesund und munter waren.


Trauriger Abschied und weitere Prüfungen

Nach dem Erdbeben vom 23. Oktober 2004 befand sich Yamakoshi im Zustand völliger Zerstörung und Isolation, weil alle Straßenverbindungen unterbrochen waren, und da mit weiteren Serien von Nachbeben die Gefahr von Erdrutschen wuchs, wurden am 25. Oktober sämtliche Dorfbewohner mit Hubschraubern in eine nahe Notunterkunft gebracht. Unter diesen Umständen war Großvater gezwungen, Mari zurückzulassen, da bei Katastrophen die Rettung von Menschenleben Vorrang hat. Er hinterließ seiner geliebten Hündin all sein Hundefutter, betete, dass sie und ihre Kleinen bewahrt blieben, und nahm ihr das Halsband ab. Er hatte keine andere Wahl, und als er in den Hubschrauber stieg und die zurückließ, die sein Leben gerettet hatte, sagte er schuldbewusst und traurig: "Es tut mir so Leid, Mari", und es brach ihm das Herz, als Mari traurig aufjaulte.

Als die Zeit verging und ihr Futtervorrat aufgebraucht war, musste Mari in dem verlassenen Dorf auf Futtersuche gehen, wobei sie viele Prüfungen zu bestehen hatte, während sie versuchte, ihre Kleinen zu beschützen. Die ganze Zeit über dachte Großvater ständig an sie, und die Angst wegen der anhaltenden Beben machte ihn krank, so dass er ins Krankenhaus gebracht wurde. Zwei Wochen nach der Evakuierung wurde den Dörflern erlaubt, nach Yamakoshi zurückzukehren und nach ihren Häusern zu sehen. Unter den Rückkehrern war Großvaters Sohn, der sofort nach Mari zu suchen begann. Als er sie gefunden hatte, stellte er fest, dass sie erheblich dünner geworden war. Sie zögerte einen Moment, als sie ihren Namen hörte, dann stürmte sie ihm entgegen. Er hielt sie lange fest in den Armen. Mari hatte nicht genug Futter für sich selbst gehabt, aber ihren Kleinen Milch gespendet und sie so gut sie konnte, versorgt. Im Gegensatz zu ihrer abgemagerten Mutter sahen die Welpen süß und pummelig aus, wie sie so friedlich auf der Veranda schliefen, und der Sohn freute sich zu sehen, dass die Welpen bei guter Gesundheit waren.

Bis das Dorf Yamakoshi wieder aufgebaut wurde, waren die Dörfler in einer benachbarten Stadt untergebracht. Mit Werbeangelegenheiten für das Dorfkomitee betraut, war der Sohn ein vielbeschäftigter Mann, darum gab er Mari und ihre Welpen bei einer anderen Familie in Pflege. Als der Großvater noch im Krankenhaus lag, besuchten ihn die Pflegeeltern mit Mari. So wurden nach zahllosen Prüfungen Mari und der alte Mann schließlich wieder vereint. Mari war überglücklich, den Mann zu sehen, der sich langsam erholte, und mit zitternden Lippen und Tränen in den Augen sagte: "Danke, dass du mein Leben gerettet hast."

Im April 2005 wurde der Großvater aus dem Krankenhaus entlassen und bewohnte mit seinem Sohn und Mari ein Appartement. Zu jener Zeit waren Maris drei Welpen von anderen Familien adoptiert worden und wuchsen gesund in ihrem neuen Zuhause auf. Heute wohnen der Großvater und seine Familie noch immer in dem Appartement, freuen sich aber darauf, bald nach Yamakoshi zurückzukehren.

Feuerwerk für Mari

Maris anrührende Geschichte, die illustriert, wie gegenseitiges Vertrauen und Liebe zwischen Mensch und Tier Prüfungen zu bestehen hilft, wurde mehrfach in den Medien verbreitet und ist auch für ein illustriertes Geschichtenbuch - Mari aus Yamakoshi Village und ihre drei Welpen bearbeitet - worden. Das Buch hat in Japan ein gewaltiges Echo gefunden und dient als großartige Inspiration für Katastrophenopfer. Die Gesellschaft, die den Band herausgebracht hat, spendet einen Teil des Verkaufserlöses für den Wiederaufbau und Hilfsfonds für Betroffene des Erdbebens vom Oktober 2004, und verteilt die Bücher kostenlos an Kinder in Yamakoshi und seinen dreizehn angrenzenden Städten.

 

Am 2. August 2005 veranstalteten die Dörfler ein Feuerwerk in ihrer Zufluchts-Stadt, so wie sie es jedes Jahr in ihrer Heimatstadt tun, und das diesjährige Ereignis trug das Motto "Feuerwerk für Mari". Bei ihrer Teilnahme an dem Fest wünschten sie sich, dass Yamakoshi so schnell wie möglich wiederhergestellt werden kann. In dem sprühenden Licht und Rauch des Feuerwerks schien Maris strahlendes Lächeln den Nachthimmel auszufüllen und den Zuschauern Hoffnung und Ermutigung zu geben.