Von der
Höchsten Meisterin Ching Hai, Taipeh, Formosa,
8. Juli 1986 (Ursprünglich auf Chinesisch) CD-CE05
Zur
Zeit der Einweihung sage ich zu euch: „Gratulation! Von heute
an seid ihr vollkommen frei. Ihr seid ein freier, befreiter Mensch geworden!“
Jedoch nur etwa die Hälfte von euch glaubt mir. Aber das macht
nichts. Befreit ist befreit; ob ihr es nun glaubt, oder nicht, ändert
nichts an der Tatsache. Ihr müsst mir jedoch weiter folgen. Wenn
ihr mir eine Weile gefolgt seid, werdet ihr es besser begreifen. Je
mehr ihr meditiert, desto schneller werdet ihr es erkennen.
Eines
Tages, es ist noch gar nicht lange her, ging ein Meister in Indien in
Begleitung von vier oder fünf Schülern aus, um etwas zu erledigen.
Unterwegs wurde einer der Schüler von einer extrem giftigen Schlange,
deren Gift tödlich ist, gebissen. Sofort wurde das Gesicht des
Schülers purpurrot, dann blau und nahm schließlich noch andere
Farben an. Alle waren sich sicher, dass sein Tod unmittelbar bevorstünde,
denn noch niemand hatte den Biss einer solchen Schlange länger
als fünf oder zehn Minuten überlebt, und es gab kein Gegenmittel.
„Bitte, sagt dem Meister nichts“, flehte
er seine Mitschüler an. „Geht mit dem Meister weiter und
lasst mich hier liegen. Ich werde innerhalb kürzester Zeit tot
sein und erlöst. Es macht nichts.“ Während die anderen
Schüler noch überlegten, was sie tun sollten, erkannte ihr
Meister, was geschehen war, und kam zurück, um nach seinem verletzten
Schüler zu sehen, weil er um ihn besorgt war. Aber der Schüler
flehte ihn an: „Bitte, Meister, macht Euch keine Sorgen meinetwegen.
Ich werde bald befreit sein. Kein Problem!“ Da sagte der Meister
zu seinen anderen Schülern: „Ich habe gehört, dass dieser
Schlangenbiss geheilt werden kann, wenn man die Wunde mit einem bestimmten
Kraut einreibt.“
Die anderen Schüler taten, wie ihnen befohlen,
und behandelten das Opfer mit dem Kraut, und tatsächlich wurde
er geheilt. Die Schüler wussten sehr wohl, dass es nicht das Kraut
war, sondern die Kraft ihres Meisters, die ihn gerettet hatte; wie sonst
könnte einer in einer so hoffnungslosen Lage durch das Einreiben
des Schlangenbisses mit Kräutern geheilt werden? Tief bewegt, fiel
der dankbar Schüler vor dem Meister auf die Knie und sagte: „Ich
bin nur ein unbedeutender Schüler. Warum habt Ihr so gnädig
mein Karma auf Euch genommen? Warum habt Ihr das getan?“ Und sein
Meister erwiderte bloß: „Nein! Das habe ich nicht. Lasst
uns nun weitergehen.“ Solcherart ist die Beziehung zwischen Meister
und Schüler.
Schätzt
die seltene Gelegenheit,
einen erleuchteten Meister auf Erden zu haben
Wahrhaft
große Meister sind Manifestationen Gottes. Sie sind sehr mitfühlend,
aber in dieser Welt ist ihre Kraft begrenzt, und sie können ihre
wahre Identität bzw. was sie zu tun imstande sind, nicht offenbaren,
darum wissen es nur sehr wenige, und auch nur wenige Schüler. Als
er seinen Schüler gerettet hatte, instruierte z. B. dieser Meister
seine Schüler: „Sagt niemand etwas von diesem Vorfall. Ihr
müsst es sofort vergessen.“ Diese Episode kam erst später
ans Licht, als ein Schüler ein Buch schrieb und es dort besprach,
zu einer Zeit, als der Meister diese Welt bereits verlassen hatte.
So sind die Menschen. Ein großer Meister kommt,
um uns zu lehren, aber wir erkennen Ihn nicht. Selbst wenn einige Leute
ihm folgen, um zu lernen, verhalten sie sich abwartend und begreifen
die Identität ihres Meisters nicht. Die wirklich großen Meister
werden erst berühmt, wenn sie die Erde verlassen haben, und dann
verehrt sie die ganze Welt. Erst auf diese Weise erfuhren die Leute
von der Existenz von Jesus Christus, Bodhidharma, Buddha Shakyamuni,
Lao Tse und Chuang Tse. Aber da war es zu spät! Wir erkennen die
großen Meister erst, wenn sie gegangen sind, aber nicht, solange
sie auf Erden weilen. Wie schade! So sind eben die Menschen dieser Welt.
Viele Menschen kommen, um bei einem Meister zu lernen,
aber nach langer Zeit wissen sie immer noch nicht, wer ihr Meister ist.
Hören sie, dass sie meditieren müssen, sagen sie: „Oh!
Meditation ist zu schwierig für mich.“ Hören sie, dass
sie kommen und den Meister aufsuchen müssen, sagen sie: „Gut!
Aber was ist der Nutzen, ihn oder sie zu sehen?“ Hören sie,
dass sie zu den Lektionen des Meisters kommen sollten, sagen sie: „Gut,
gut! Es macht doch keinen Unterschied, ob ich zu Vorträgen anderer
Meister gehe, warum gerade zu diesem?“ (Die Meisterin lacht.)
Wenn aber ein großer Meister aus dieser Welt scheidet,
hören plötzlich alle von ihm, begreifen, wie groß er
war, und erfahren viele Dinge, die er in seinem Leben vollbracht hat.
Das kommt daher, dass die großen Meister über ihre vielen
Taten nicht reden, sodass nicht einmal ihre Schüler sie mitbekommen.
In schwierigen Zeiten suchen wir die Hilfe des Meisters und bringen
Wertschätzung für seinen Beistand zum Ausdruck. Aber selbst
dann sagt er: „Es ist nichts weiter! Ich habe nichts getan.“
(Die Meisterin lacht.) Er erteilt uns womöglich einen Verweis:
„Unsinn! Aberglaube!“ (Die Meisterin und alle lachen.) Diese
Meister beanspruchen niemals den ersten Platz. Ein Meister, der seine
magischen oder anderen Kräfte publik macht, ist kein wahrhaft erleuchteter
Meister.
Es
ist der größte Segen,
unter einem lebenden Meister spirituell zu praktizieren
Große
Meister segnen ihre Schüler auf vielfache Weise. Manche werden
durch einen bloßen Blick gesegnet, einige durch Berührung
am Kopf und wieder andere auf geheime Weise. Die meisten Schüler
wissen gar nicht, wie ihnen ihr Meister hilft, oder was er für
sie tut. Ob sie es jedoch erkennen oder nicht, einem solchen Meister
zu begegnen, macht sie zu überaus gesegneten und beschützten
Schülern. Viel von ihrem Karma wird gelöscht durch eine bloße
Berührung am Kopf durch solch einen Meister.
In Indien verehren die Leute einen lebenden Meister
mehr als Buddha Shakyamuni oder Gott. „Obwohl Gott sehr groß
ist, kann ich Siehn doch nicht sehen“, sagen sie. „Für
mich ist mein Meister der Höchste! Die Buddhas kann ich nicht sehen,
aber meinen Meister kann ich sehen. Was die Buddhas tun, weiß
ich nicht, aber ich weiß, was mein Meister getan hat, um mir zu
helfen!“ Ursprünglich kommen also die großen Meister
von Gott; sie sind Manifestationen der Buddha-Natur. Aber sie schweigen
sich darüber aus. Und selbst wenn sie darüber reden, glauben
ihnen die Leute nicht.
Vor einigen hundert Jahren gab es einen sehr großen
Meister in Indien. Eines Tages erreichte eine seiner Schülerinnen
in Meditation die Fünfte Stufe. Dort sah sie ihren Meister –
einen erleuchteten Meister der Fünften Ebene. Nach diesem Erlebnis
eilte sie zu ihm und sagte: „Meister, Ihr habt mir nicht die Wahrheit
gesagt! Ihr habt uns getäuscht, als Ihr sagtet, Ihr seid nur ein
gewöhnlicher Mensch, der keine magische Kraft oder die Fähigkeit
besitzt, irgendetwas zu tun. Aber heute habe ich gesehen, dass Ihr Gott
seid! Ihr seid ein erleuchteter Meister auf der Fünften Ebene.
Ihr seid der Höchste; niemand ist höher als Ihr! Warum habt
Ihr die Wahrheit die ganze Zeit zurückgehalten und Eure wahre Identität
nicht offenbart?“ Der Meister erwiderte: „Wenn ich es euch
gesagt hätte, hättet ihr mir nicht geglaubt, so habe ich es
vorgezogen, nicht darüber zu sprechen.“
Es ist der größte Segen für einen Menschen,
solch einem Meister zu begegnen. Er kann jedoch in dieser Welt nicht
zuviel offenbaren. Im Übrigen möchte er auch gar nicht darüber
sprechen; wozu sollte das gut sein?
Der
russische Zar und seine exilierten Untertanen
Vor
langer Zeit reiste ein russischer Zar inkognito nach Holland, um die
Technik des Schiffbaus zu erlernen. Im Verlauf seiner Tätigkeit
traf er auf Landsleute, die aufgrund gewisser Vergehen von ihm verbannt
worden waren. Da sie nicht mehr in Russland bleiben durften, gingen
sie ins Ausland, wo sie unter miserablen Bedingungen leben und arbeiten
mussten. Sie sehnten sich nach ihren Familien und ihrer Heimat, konnten
aber aufgrund des Verbots des Zaren nicht zurückkehren.
Der Zar arbeitete jeden Tag mit ihnen zusammen und verstand
ihre Sehnsucht. Davon berührt, sagte er zu ihnen: „Ich bin
ein Freund des Zaren. Ich kenne ihn. Wenn ihr wirklich nach Hause wollt,
kommt einfach mit mir mit. Ich werde den Zaren bitten, euch zu begnadigen,
sodass ihr nach Hause könnt.“ Einige Leute glaubten und folgten
ihm, andere jedoch nicht, weil er wie ein gewöhnlicher Arbeiter
aussah. Sie glaubten nicht, dass er beim Zaren so viel Einfluss habe,
und weigerten sich, ihm zu folgen.
Jene aber, die sich entschlossen ihm nach Russland zu
folgen, sahen, dass er dort überall, in jeder Stadt, durch die
er kam, von einer Menschenmenge willkommen geheißen wurde. „Vielleicht
ist er wirklich ein hoher Gefolgsmann mit großem Einfluss, oder
er hat eine hohe Stellung inne und ist berühmt“, mutmaßten
sie. Als sie sich dem Palast des Zaren näherten, wurden die Menschenmengen,
die ihn begrüßten, immer größer und die Bankette
immer üppiger. Da rätselten sie weiter: „Oh! Er scheint
der Erste Minister zu sein, oder sogar ein Verwandter des Zaren. Er
muss wohl doch die Wahrheit gesagt haben.“ Als sie schließlich
im Palast ankamen und ihn auf dem Zarenthron sitzen sahen, erkannten
sie, dass er selbst der Zar war. Da waren ihnen all ihre Sünden
vergeben, weil der Zar die höchste Autorität war. Er war es,
der sie ins Exil geschickt hatte, darum hatte er auch die Macht, sie
wieder zurückzubringen.
Dasselbe gilt auch für uns, die wir eingeweiht
sind. Ursprünglich kommen wir von der Höchsten Kraft, und
nun ist diese Höchste Kraft gekommen, um uns heimzuholen. So einfach
ist das! Es ist genau wie beim Zaren, der Menschen ins Exil schicken
und wieder zurückbringen konnte, da er die höchste Autorität
besaß und niemandem untertan war.
Eingeweihte
könnten sofort die Gott-Natur erblicken
und Heiligkeit erreichen
In
vielen indischen Schriften wird gesagt, wenn man einem Meister begegnet,
der die Höchste Kraft besitzt, dann hat man es praktisch nicht
mehr nötig, irgendetwas zu tun – man muss nicht verehren,
sich nicht zu Boden werfen, nicht bereuen, keine Verdienste zu sammeln,
gar nichts. Trotzdem ist man in jeder Weise gut und vollkommen, da wir
von unserem Ursprung her diese Höchste Kraft sind. Von Ihr kommen
wir, und zu Ihr werden wir zurückkehren. Darum sagen wir: „Die
Gott-Natur erblicken und Heiligkeit erreichen.“ Diese „Natur“
ist das Wesen unseres wahren Selbst, und nicht unsere Persönlichkeit.
Zen-Meister meinten mit „sofortiger Erleuchtung“: sofort
die Gott-Natur erblicken und Heiligkeit erreichen. Meistens können
wir noch gar nicht glauben, dass wir Heilige sind, aber nichtsdestotrotz
sind wir Heilige, wir sind frei und erlöst. Wenn die Zeit da ist,
werden wir es ganz selbstverständlich wissen.
Es ist so ähnlich wie in der Geschichte, die ich
eben erzählt habe. Die Arbeiter, die dem Zaren glaubten, folgten
ihm nach Hause, und als sie den Palast erreichten, erblickten sie die
Wahrheit. Tatsächlich waren sie schon frei, als der Zar ihnen sagte,
sie könnten nach Hause zurückkehren. Als sie noch in Holland
waren, sagte ihnen der Zar: „Ihr könnt nach Hause zurückkehren“,
und von dem Moment an waren sie freie Männer. Sie mussten nicht
warten, bis sie in den Palast kamen, um befreit zu sein. Es machte aber
nichts. Obwohl sie skeptisch gewesen waren, solange sie dem Zaren folgten,
verstanden sie doch alles in dem Moment, als sie zu Hause waren.
So ähnlich sage ich euch zur Zeit der Einweihung:
„Gratuliere! Von heute an seid ihr vollkommen frei. Ihr seid ein
freier, erlöster Mensch geworden!“ Jedoch nur etwa die Hälfte
von euch glaubt mir. Das macht aber nichts. Befreit ist befreit; ob
ihr es nun glaubt, oder nicht, ändert nichts an der Tatsache. Ihr
müsst mir jedoch weiter folgen. Wenn ihr mir eine Weile gefolgt
seid, werdet ihr es besser begreifen. Je mehr ihr meditiert, desto schneller
werdet ihr es erkennen. Wenn ihr nicht meditiert, wird euer Leben –
obwohl ihr es schließlich verstehen werdet – ziemlich belanglos
sein. Ihr werdet nur ein träges Leben führen, euch selber
Ärger bereiten, von Krankheiten und schwerem Karma geplagt und
der Erleuchtung beraubt sein.
Und zwar deshalb, weil wir gewöhnlichen
Menschen Gott nicht verstehen können. Obwohl wir Augen haben, können
wir nicht sehen, wir sind wie Blinde. Wir wissen nicht, was Gott für
uns getan hat bzw. wie Sier uns geholfen hat. Stattdessen verehren wir
hölzerne Statuen und bitten jeden Tag um Segen. Wir verehren sogar
Gottheiten und Geister und beten um Sicherheit und Schutz. Obwohl wir
innerlich reich sind, gehen wir draußen betteln! 